Im Mittelpunkt des Seminars wird Pierre Choderlos de Laclos‘ erotischer Briefroman Les Liaisons Dangereuses (1782) stehen. In den 175 Briefen, die zwischen den Romanfiguren zirkulieren, geht es um Verführung, um Ausübung von Macht durch Beherrschung von Sprache. Wer sich in den rhetorischen Fallstricken seiner Briefpartner verfängt, wie die tugendhafte Présidente de Tourvel, hat wenig zu lachen und bald auch nichts mehr zu sagen. Wer nicht schreiben kann, wie die naive Cécile, wird zum Spielball erotischer Phantasien. Wer die Sprachen der Liebe mit all ihren Raffinessen beherrscht, wie der Vicomte de Valmont und die Marquise de Merteuil, liefert sich erbitterte Gefechte, in denen sexuelles Begehren, Hass und Machtstreben ineinander fallen.

Neben einer genauen Lektüre einzelner Briefe, bei der grundlegende Techniken der Literaturinterpretation nach französischem Vorbild (explication de texte) eingeübt werden sollen, wollen wir versuchen, Beziehungen zwischen Jean Jacques Rousseaus Sittenroman Julie ou la nouvelle Heloïse (1761) und Choderlos de Laclos‘ libertiner Antwort darauf herzustellen. Rousseaus Motto J’ai vu les moeurs de mon temps, et j’ai publié ces lettres stellt auch Choderlos de Laclos seinem Roman voran. Den Briefroman im 18. Jhd. werden wir auch mit Blick auf Deutschland und England in den Blick nehmen.

Die Liaisons Dangereuses (zur Anschaffung empfehle ich die folio classique Taschenbuchausgabe von Gallimard) sollten bis zum Semesteranfang gelesen sein, zu Julie ou La nouvelle Heloïse wird ein Reader mit einer Auswahl an Briefen bereitgestellt.

Semester: SoSe 2022