Ausgehend vom Neuen Europäischen Bauhaus, einer Initiative der Europäischen Union zur Gestaltung «schönerer, nachhaltigerer und inklusiverer Formen des Zusammenlebens» im Kontext des Europäischen Grünen Deals untersucht das Seminar das komplexe Zusammenspiel von Gestaltung, Industrialisierung, Ökologie und transformativer Gesellschafts- und Umweltpolitik. Ziel ist es, dieses aktuelle Phänomen design- und kulturhistorisch zu kontextualisieren und produktiv zu problematisieren.

Das Seminar führt zunächst in die Debatten und Kontroversen rund um die Initiative des Neuen Europäischen Bauhaus und Grünen Deals ein. Daran anschließend werden designhistorische Schauplätze, Akteure und Initiativen seit Mitte des 19. Jahrhunderts beleuchtet, die als Vorläufer oder Inspiration des Neuen Europäischen Bauhaus gelten können. Dazu gehören deutsche Reformbewegungen, das britische Arts and Crafts Movement im 19. Jahrhundert sowie das historische Bauhaus (1919–1933). Stationen in der Nachkriegszeit sind die Hochschule für Gestaltung Ulm (1953–1968), das Bauhaus im Exil, Buckminster Fullers World Design Science Decade (1963–1971), das International Council of Societies of Industrial Designers (gegründet 1957) sowie die International Design Conference in Aspen von 1970.

Themen bzw. Spannungsfelder, die sich im Zuge dieser design- und kulturhistorischen Kontextualisierung eröffnen, adressieren unter anderem die gestalterische Praxis als Modus des sozialen Wandels sowie damit zusammenhängende funktionalistische Modelle von Gestaltung; das Zusammenspiel von sozialer, ökologischer und ästhetischer Kritik in Hinblick auf extraktivistische Arbeits- und Produktionsweisen; die Aushandlung von Natur-Kultur-Verhältnissen sowie Fragen der Repräsentation und Transformation von Umwelt vermittels Gestaltung.

Ausgehend vom Neuen Europäischen Bauhaus fragt das Seminar schließlich grundlegend nach der ambivalenten Rolle von Gestaltung in Zeiten sozio-ökologischer Krisen. Adressiert wird zugleich die eurozentrisch-modernistische Fundierung dieser designpolitischen Initiative und die Frage nach möglichen Alternativen.


Semester: SoSe 2022