Der öffentliche Rundfunk, der in Deutschland am 29. Oktober 1923 erstmals auf Sendung ging, war in den Jahren der Weimarer Republik durch einen programmatischen Kunst- und Kulturauftrag geprägt. Das äußerte sich auch darin, dass die künstlerischen Möglichkeiten des Radios nicht nur schnell äußerst intensiv diskutiert, sondern in der dem Rundfunk entsprechenden Dichtungsform des Hörspiels, die 1924 mit Hans Fleschs Zauberei auf dem Sender ihre Premiere erlebte, auch nicht minder intensiv erprobt wurden.

Im SE wollen wir uns mit dieser Experimentierphase befassen, die der Rundfunk erlebte, bevor er unter Joseph Goebbels zum Propagandamedium umgestaltet wurde. Hierfür wollen wir uns sowohl mit theoretischen als auch mit praktischen Auseinandersetzungen mit Rundfunk und Hörspiel beschäftigen: darunter etwa mit der ‚Radiotheorie‘ und dem ‚Radiolehrstück‘ Der Lindberghflug (1929) von Bertolt Brecht, mit den ‚Hörmodellen‘ und Hörspielen Walter Benjamins, mit den Reflexionen über das Radio und der Geschichte vom Franz Biberkopf (1930) von Alfred Döblin sowie mit Rudolf Arnheims Ausführungen zu Rundfunk als Hörkunst (1936). Um einen möglichst plastischen Eindruck von der Frühphase des Rundfunks zu bekommen, wollen wir darüber hinaus auch eine Reihe weiterer Hörspiele aus den 1920er und frühen 1930er Jahren besprechen.

Neben der regelmäßigen und aktiven Teilnahme am SE wird für die Studienleistung die Kurzvorstellung eines Hörspiels, möglicherweise im Tandem, erwartet.

Der Großteil der Seminarlektüre wird auf Moodle zur Verfügung gestellt. Zur Einführung ist hilfreich: Natalie Binczek, Uwe Wirth (Hrsg.): Handbuch Literatur & Audiokultur. Berlin/Boston: de Gruyter. 2020.

Semester: SoSe 2022