Siegfried Kracauer, der lange Zeit im Schatten Walter Benjamins stand, erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance – und dies vollkommen zu Recht. Denn der 1889 in Frankfurt am Main geborene und 1966 in New York verstorbene Kracauer war nicht bloß ein anregender Analytiker und Theoretiker, der sich mit der Angestelltenkultur der 1920er Jahre, den Straßen von Berlin und mit Medien wie der Fotografie und später vor allem dem Film in aufschlussreicher Weise auseinandersetzte. Bei alldem war Kracauer auch ein begnadeter Schriftsteller, der die Alltagskultur seiner Zeit in verschiedensten Formen zu analysieren verstand: in Skizzen, Essays, Feuilletontexten, wissenschaftlichen Abhandlungen und nicht zuletzt in im engeren Sinne literarischen Texten.

Das SE will einen Überblick über Kracauers ebenso vielseitiges wie vielbändiges Schaffen geben, einen Schwerpunkt dabei aber auf literarische und die Literatur betreffende Arbeiten legen. Neben dem Roman Ginster (1928) sollen hierfür Essays aus den spät publizierten Bänden Das Ornament der Masse (1963) und Straßen in Berlin und anderswo (1964), die Studie Die Angestellten (1930) sowie Auszüge aus den filmsoziologischen Arbeiten, vor allem aus Von Caligari zu Hitler (1947), gelesen werden.

Neben der regelmäßigen und aktiven Teilnahme am SE und der Bereitschaft, sich intensiv mit massenkulturellen Phänomenen auseinanderzusetzen, wird für die Studienleistung die Anfertigung eines Kurzessays erwartet.

Der Großteil der Seminarlektüre wird auf Moodle zur Verfügung gestellt. Zur Anschaffung empfohlen wird jedoch: Siegfried Kracauer: Ginster. Roman, Berlin: Suhrkamp, 2019. Zur Einführung in Kracauers Werk ist hilfreich: Graeme Gilloch: Siegfried Kracauer. Our Companion in Misfortune, Cambridge: Polity, 2015; sowie Gertrud Koch: Siegfried Kracauer zur Einführung, 2. Aufl., Hamburg: Junius, 2012.

Semester: SoSe 2022