PS Die Eroberung des Wilden Ostens? Migration, Kulturwandel und Urbanisierung im hochmittelalterlichen Berlin-Brandenburg

Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Geschichtswissenschaften, Sommersemester 2022 LV-Nr. 51310, Di 12-14, Hausvogteiplatz 5-7, Raum 319-22. Dozent: Dr. Jörg Feuchter (feuchter@bbaw.de), Sprechstunden: Termin nach Vereinbarung, Ort: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Jägerstr. 22-23, 10117 Berlin, Raum 468

Im 12. und 13. Jahrhundert machte die heutige Region Berlin-Brandenburg einen tiefgreifenden und raschen Wandel durch. Von elbslawischen Stämmen überwiegend polytheistischer Religion bewohnt, wurde sie durch Eroberung, Migration, Landeserschließung, Feudalisierung und Urbanisierung zur deutschsprachigen, christlichen „Mark Brandenburg“ des Heiligen Römischen Reiches.

Die deutsche Geschichtswissenschaft hat den Prozess traditionell als (erste) „deutsche Ostkolonisation“ bzw. „Ostsiedlung“ konzeptualisiert. Das geschah auch unter Rückgriff auf Begriffe und Bilder, die an die Eroberung des amerikanischen Westens im 19. Jahrhundert erinnern. Auf wenige und einseitige Textquellen gestützt nahm man lange an, dass die einheimischen Slawen, die ohnehin wenig zahlreich gewesen seien, von den in jeder Hinsicht überlegenen Zuwanderern von westlich der Elbe stark dezimiert, vertrieben und/oder segregiert bzw. aufgrund des angenommenen großen kulturellen und zahlenmäßigen Unterschieds schnell assimiliert wurden.

Die jüngere Forschung bezweifelt dies u.a. auf Grundlage archäologischer Befunde, welche eher auf ein Zusammenleben/Verschmelzen der beiden Gruppen hinweisen könnten, allerdings oft nicht schlüssig sind. Hoffnungen auf weitere Erkenntnisfortschritte richten sich nun auf naturwissenschaftliche Methoden wie Radiokarbondatierung, Isotopenanalyse oder – ganz neu – aDNA-Sequenzierung, die jedoch erst in interdisziplinärer Kooperation sinnvoll anzuwenden sind.

In diesem Proseminar soll die Teilnehmerschaft sich einen beispielhaften Einblick in die Breite des aktuellen mediävistischen Methoden- und Quellenspektrums erarbeiten und Grundlagen zwischenfachlichen Zusammenwirkens erlernen, aber auch dazu befähigt werden, die jeweilige Gegenwartsgebundenheit historischer Forschung kritisch zu reflektieren.

Organisatorische Hinweise: 1) Es müssen im Laufe des Seminars acht „response papers“ zu gemeinsam zu lesenden Texten eingereicht werden (über moodle) 2) Das Seminar beginnt erst am 26.4. und die Sitzungen im Juli entfallen. Stattdessen wird eine archäologisch-historische Tagesexkursion am Samstag, 21. Mai, nach Brandenburg/Havel angeboten. Die Teilnahme daran erfolgt auf eigene Verantwortung, Kosten und Gefahr und ist nicht verpflichtend.

Semester: SoSe 2022