Schlösser sind überlieferte Monumente adliger Herrschaft. In ihnen und durch sie wurde Macht ausgeübt; auf sie richtete sich das Interesse konkurrierender Mächte und revolutionärer Bewegungen. Die Geschichte von Schlössern ist daher die Geschichte von Eroberungen, Umbauten, Zweckentfremdungen und Zerstörungen, aber auch von Restauration und Wiedererrichtung. Beispiele für solche Transformationen sind etwa der frühneuzeitliche Zusammenhang von Herrschafts- und Wissensarchitekturen, die Musealisierung von Schlössern in Folge der bürgerlichen Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts oder der moderne Zusammenhang von Denkmalschutz und Tourismus.
Vor diesem kulturgeschichtlichen Hintergrund wird das SE die literarische Darstellung von Schlossarchitekturen untersuchen. Schlösser in der Literatur sind exemplarische ‚Chronotopoi‘ (M. Bachtin), zeitlich strukturierte Schauplätze – oft im Sinne des Anachronistischen und Unabschließbaren. Das zeigt sich etwa im Schauerroman (Horace Walpole: „The Castle of Otranto“, 1764), in Geschichten über Genealogie und Vererbung (E.T.A. Hoffmann: „Das Majorat“, 1817; Adalbert Stifter: „Die Narrenburg“, 1842/44) oder in der narrativen Problematisierung von Machtstrukturen (Franz Kafka: „Das Schloss“, 1922).
Geplant ist außerdem eine Kooperation mit der Abteilung Akademie des im wiedererrichteten Berliner Schloss angesiedelten Humboldt Forums. Die dortigen Programmgestalter:innen beschäftigen sich intensiv mit der von Macht, Repräsentation und Revolution geprägten Geschichte des Schlosses und des nun verschwundenen Palastes der Republik.
Das SE versteht sich als methodisches Experiment. Gefragt ist die Bereitschaft zum kreativen Mitdenken und zu relativ umfangreicher Lektüre.
Vorgesehene Arbeitsleistung: spezielle Zuständigkeit für eine Sitzung (Hintergrundpapier, Leitfragen, Kurzreferat).

Semester: SoSe 2022