Schon die Antike wusste von menschenfressenden Barbaren, die jenseits der Grenzen der erschlossenen Welt umherstreifen. Als Erzählung über das kulturlose Andere ist „Kannibalismus“ zuallererst eine Fiktion – und besetzt als brisante Verdächtigung eine Schnittstelle zwischen politischer Rede und Literatur.
In einem historischen Längsschnitt von der Frühen Neuzeit bis zur Weimarer Republik verfolgt das SE die Genese und die Transformationen des modernen europäischen Anthropophagiediskurses anhand von Reiseberichten und Abenteuererzählungen, Schauergeschichten und Märchen, kulturkritischen Essays und vielem mehr. Behandelt werden u.a. Hans Stadens „Warhaftige Historia“ seiner Gefangenschaft bei den Tupínamba, Michel de Montaignes „Des Cannibales“ und Alexander Humboldts Reflexionen „Über Anthropophagie“ sowie Heinrich Kleists Trauerspiel „Penthesilea“, Grimm’sche Märchen, Joseph Conrads „Heart of Darkness“ bis hin zu Friedrich Wilhelm Murnaus Horror-Stummfilm „Nosferatu“ und Theodor Lessings Gerichtsreportage „Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs“.

Studienleistung: Vorbereitende Textlektüre und aktive Seminarteilnahme. Außerdem zu einer Sitzung Mitarbeit in einer Expert*innengruppe, inkl. vertiefender Forschungslektüre und das Einreichen eines gemeinsamen Thesenpapiers.

Semester: SoSe 2022