Während die Geschichte des Nationalsozialismus sich in der öffentlichen Wahrnehmung bis auf wenige Ausnahmen nach wie vor weitgehend auf die ‚mächtigen Männer‘ wie Hitler, Goebbels, Göring und Himmler verengt, fokussiert die Historiographie in den vergangenen Jahren verstärkt auch die Funktionär*Innen in der ‚zweiten Reihe‘ der Diktatur. Ohne einen Apparat von hochrangigen Beamt*Innen, der die politisch-ideologischen Vorgaben der Protagonisten des NS-Regimes umsetzte, wären Kriegführung, Ausbeutung Europas und Massenmord nicht möglich gewesen. In der Übung soll beispielhaft anhand des Wirkens von ausgewählten Spitzenbeamt*Innen untersucht werden, wie diese in unterschiedlichen gesellschaftlichen Teilbereichen – Wirtschaft, Forschung, Justiz, Medizin usw. – das NS-Herrschaftssystem stützten. Methodisch-didaktisch verfolgt die Lehrveranstaltung damit zwei Ziele: Einerseits sollen der quellen- und insbesondere auch der literaturkritische Blick geschärft werden. So wird nicht zuletzt danach zu fragen sein, wie sich das apologetisch grundierte Nachkriegsnarrativ einer Diktatur, die auch ihren hochrangigsten ‚Staatsdiener*Innen‘ vorgeblich keinerlei Handlungsspielräume gelassen habe, teils bis in die frühen 2000er Jahre halten konnte. Daran anknüpfend werden die einschlägigen, im Rahmen des ‚Booms‘ der NS-Institutionengeschichte der vergangenen Jahre entstandenen methodischen Überlegungen in den Blick genommen. Zum anderen ermöglicht die thematische Klammer der Spitzenbeamtenschaft einen Parforceritt durch die einzelnen Teildisziplinen der NS-Historiographie wie Ökonomie-, Wissenschafts- und Rechtsgeschichte und ihre jeweiligen theoretischen Zugriffe. Schließlich ist darüber zu reflektieren, wie sich institutionenhistorische, ‚teildisziplinäre‘ und – mit Blick auf die Akteur*Innen – biografische Konzepte im Verbund miteinander für die Sozialgeschichtsforschung fruchtbar machen lassen. Der Kurs findet eher synchron statt.

Semester: WiSe 2021/22