Seit dem Ersten Weltkrieg lässt sich in der deutschsprachigen Literatur eine Wiederkehr chronistischer Schreibweisen beobachten. Sie haben die Geschichtsschreibung vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit geprägt, sind aber seit dem 18. Jh. durch erzählende Darstellungen historischer Ereignisse auf der einen sowie Zeitungsberichte auf der anderen Seite abgelöst worden. Inzwischen lässt sich eine Wiederkehr chronistischer Verfahren in Darstellungen zur Corona-Pandemie feststellen. Kennzeichen sind ein Bezug auf herausragende Ereignisse, sequenzielle Darstellung, Orientierung an Zeugen oder Dokumenten und ein umfassender Deutungsanspruch. Die LV dient dem Zweck, die einschlägigen Werke und die literarischen Verfahren der neueren Chronistik kennenzulernen. Vorgesehen sind, wenn es die Umstände erlauben, Besuche in den Literaturarchiven der Akademie der Künste in Berlin (mit den einschlägigen Nachlässen von Brecht und Kempowski).

Behandelt werden u.a. Werke von Karl Kraus ("Die letzten Tage der Menschheit"), Alfred Döblin ("November 1918"), Bertolt Brecht (Stücke zum Nationalsozialismus), Ernst Jünger ("Strahlungen"), Walter Kempowski ("Echolot"),  Uwe Johnson ("Jahrestage"), Alexander Kluge ("Chronik der Gefühle")  und Rainald Goetz ("Abfall für alle"). - Alle Werke sind als Taschenbücher in verschiedenen Verlage greifbar. Überblicksliteratur  gibt es nicht; empfehlenswert ist die Lektüre der Einleitung von G. Wolf/N. Ott (Hg.), Handbuch Chroniken des Mittelalters (Berlin, Bosten 2016).

Semester: WiSe 2021/22