Im Jahr 1913 proklamiert der italienische Futurist Filippo Tommaso
Marinetti die „immaginazione senza fili“, die drahtlose Imagination.
Diese in zahlreichen Manifesten und anderen Texten der Avantgarden
verwendete Formel zeigt exemplarisch, wie eng sich die avantgardistische
Poetik mit der Nutzung technischer Medien verbindet – der Ausdruck
bezieht sich auf die Ausbreitung der drahtlosen Telegraphie, für die
Guglielmo Marconi 1896 erstmals ein Patent angemeldet hatte. Das Seminar
möchte den Spuren nachgehen, die die Begeisterung der Avantgarden für
technische Medien, aber auch für moderne Verkehrstechnik in Europa sowie
auch in Lateinamerika hinterlassen haben. Im Zentrum der Aufmerksamkeit
soll dabei neben den Manifesten des italienischen Futurismus die
Auseinandersetzung mit avantgardistischer Lyrik stehen, etwa bei dem
französischen Schriftsteller Guillaume Apollinaire, aber auch in den
zahlreichen spanischen und lateinamerikanischen Avantgardebewegungen,
die Namen wie „creacionismo“, ultraísmo“ und „estridentismo“ tragen;
darüber hinaus werden auch ausgewählte Erzähltexte und experimentelle
Filme Gegenstand des Seminars sein. Die Teilnehmer*innen sollten
Interesse mitbringen, sich über das eigene Studienfach hinaus auch mit
anderen romanischen Sprachen auseinanderzusetzen – die transnationalen
Avantgarden des 20. Jahrhunderts eignen sich besonders gut für eine
solche vergleichende Perspektive; Kenntnisse einer zweiten romanischen
Sprache sind dabei von Vorteil. Die Durchführung des Seminars erfolgt
ebenfalls ‚drahtlos‘, d.h. in digitaler Form, wobei synchrone Sitzungen
und Arbeit in Projektgruppen einander abwechseln werden.
- Kursverantwortliche/r: Prof. Dr. Jörg Dünne