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Ein Gramm abzunehmen macht einen nicht dünn, einen Tag länger zu leben macht einen nicht alt, einen Cent weniger zu verdienen macht einen nicht arm. Diese Thesen scheinen unkontrovers zu sein. Und doch sind manche Menschen alt, dünn und arm. Wie ist das möglich? Schließlich können wir uns eine lange Menschenkette aus jeweils einen Tag älteren Menschen vorstellen, an deren Anfang ein Einjähriger und an deren Ende eine Hundertjährige steht. Wenn keines der Paare in der Kette sich darin unterscheidet, ob sie alt oder jung sind, wie kann es dann sein, dass nicht entweder alle in der Kette jung sind oder alle in der Kette alt sind? Dies ist, in groben Zügen, das Sorites Paradox. Anders als präzise Ausdrücke, sind vage Ausdrücke anfällig für soritisches Denken (es besteht keine Versuchung zu denken, dass der Nachfolger einer Primzahl ebenfalls eine Primzahl ist). Dieses Seminar nimmt das Sorites Paradox zum Ausgangspunkt einer gründlichen Untersuchung des Phänomens der Vagheit. Dabei werden uns einerseits technische Fragen beschäftigen, z.B. ob ein adäquater Umgang mit dem Phänomen der Vagheit eine Abkehr von der klassischen Logik erfordert und wie sich verschiedene nicht-klassischer Logiken im Umgang mit dem Problem der Vagheit unterscheiden. Andererseits wird uns interessieren, worin Vagheit eigentlich besteht, ob es sich um ein sprachliches oder epistemisches Phänomen handelt, ob es Vagheit in der Welt gibt und wie sich Vagheit zu Kontextsensitivität und Unbestimmtheit verhält. Obwohl die Seminarsprache Deutsch ist, setzt die Teilnahme die Bereitschaft voraus, englischsprachige Texte zur Vorbereitung zu lesen.


Semester: WiSe 2021/22