Der Ritter Sueton stieg an die Spitze der imperialen Verwaltung auf, er war Leiter der kaiserlichen Kanzlei unter dem Kaiser Hadrian und somit die federführende Person bei der kaiserlichen Korrespondenz. Im Jahr 122 verlor er jedoch diese Stellung, weil er in eine Hofintrige verwickelt war. Anschließend revolutionierte Sueton die Biographie als literarische Gattung. In seinen Kaiserbiographien zitiert der Autor zahlreiche historische Dokumente aus den staatlichen Archiven und Briefen, zu denen er während seiner Arbeit als Leiter der kaiserlichen Kanzlei Zugang hatte.
Suetons Werk "De vita Caesarum" bietet interessante Einblicke in das Leben Julius Caesars und der ersten elf römischen Kaiser. Sueton schildert das öffentliche und das private Leben der Kaiser, indem er die Zustände am Kaiserhof beschreibt; dabei erzählt er Anekdoten, mit Vorliebe über die sexuell-erotischen Eskapaden der Kaiser und ihrer Ehefrauen. Der gut informierte Biograph veranschaulicht Tugenden und Laster sowie den Charakter einzelner Kaiser. Häufig schildert er, wie Mitglieder des Kaiserhauses die Grenzen übertreten, welche ihrem Geschlecht zugewiesen sind. Im Seminar wird Suetons subtiles Hinterfragen der kaiserlichen Autorität durch seine Verweise auf ihre angebliche sexuelle, moralische, politische und religiöse Devianz (Aberglaube, Anbetung fremder Götter) analysiert. Suetons Darstellung der herrschaftlichen Abweichungen von gesellschaftlichen Normen werden in den breiteren Kontext der antiken Biographie gestellt. Zudem wird der Fokus auf Suetons Multiperspektivität gelenkt, mit der der Biograph das Auftreten und den Regierungsstil der Kaiser beleuchtet, um sein facettenreiches literarisches Spiel mit verschiedenen Quellen, Stimmen und Aussagen herauszuarbeiten. Es wird auch der Frage nachgegangen, wie die Grenze zwischen objektiver Biographie und fiktiven Erzählungen zu definieren ist. Welche literarisch-politischen Ziele verfolgt der Autor dabei?

Textgrundlage: C. Suetoni Tranquilli De uita Caesarum libri VIII et De grammaticis et rhetoribus liber, ed. Robert A. Kaster, Oxford, 2016.
Sekundärliteratur: A. Wallace-Hadrill, Suetonius, London, 1995; Power, T., Gibson, R.K. (Hrsg.) Suetonius the biographer: studies in Roman lives, Oxford, 2014; Robert A. Kaster, Studies on the Text of Suetonius' De Vita Caesarum. Oxford, 2016.

Semester: WiSe 2021/22