„Vieles Volk treibt sich durcheinander“; „Viele Stimmen, tumultuarisch“; „Im Saal Arbeiter und Arbeiterinnen dicht gedrängt“: So lauten Bühnenanweisungen in Dramen von Christian Dietrich Grabbe („Napoleon oder die hundert Tage“, 1831), Gerhart Hauptmann („Die Weber“, 1892) und Ernst Toller („Masse – Mensch“, 1921). Inwiefern sind anonyme Kollektive – das ‚Volk‘, der ‚Pöbel‘, die ‚Menge‘, die ‚Masse‘ – dramatische Personen? Wie können sie sich sprachlich artikulieren, wie szenisch in Erscheinung treten? Dienen sie als Hintergrund für die eigentlich agierenden Hauptfiguren, oder kommt ihnen spezifische Handlungsmacht zu?
Das SE behandelt die (Un-)Darstellbarkeit größerer Menschengruppen und die damit einhergehenden poetologischen und politischen Konzepte an ausgewählten Stücken aus der Zeit vom 19. bis 21. Jahrhundert. Neben den bereits genannten gehören dazu u.a. Bertolt Brecht: „Die Mutter“ (1932), Elfriede Jelinek: „Ein Sportstück“ (1998), Robert Habeck/Andrea Paluch: „Neunzehnachtzehn“ (2019). Dass das Auftreten von ‚Massen‘ nicht zuletzt ein bühnenpraktisches Problem ist, wird in Pandemiezeiten besonders deutlich. Im Seminar sollen daher auch theatergeschichtliche Aspekte eine Rolle spielen, und es soll die Gelegenheit zum Besuch aktueller Theaterinszenierungen und zu Gesprächen mit Schauspieler:innen, Regisseur:innen und Dramaturg:innen geben.
Vorgesehene Arbeitsleistung: spezielle Zuständigkeit für eine Sitzung (Thesenpapier, Kurzeinführung). 
Soweit möglich, findet das SE in Präsenz statt (andernfalls in Form von Videokonferenzen).

Semester: WiSe 2021/22