Seit der frühen Nachkriegszeit betrachteten sich die Deutschen als eine „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“, in der es dank des „Wirtschaftswunders“ und der „sozialen Marktwirtschaft“ keine Armut mehr gab; zudem war es in Zeiten des Kalten Krieges geradezu verpönt, die Existenz sozialer Ungleichheiten in der westdeutschen Gesellschaft zu thematisieren.

Die diskursive Marginalisierung sozialer Ungleichheiten erstreckte sich auch auf die Wissenschaften. Die historische Forschung behandelte das Thema lange höchstens am Rande, bis es im vergangenen Jahrzehnt von Historiker:innen neu entdeckt wurde.

Das Seminar führt uns in die aktuelle Forschung zur Geschichte sozialer Ungleichheiten in der Bundesrepublik ein. Zudem bietet es uns Gelegenheit, interdisziplinäre Perspektiven kennen zu lernen, da das Thema seit langem auch Gegenstand diverser anderer Wissenschaften war und ist, v.a. der Soziologie und der Wirtschaftswissenschaften.

Gleichzeitig nutzen wir das Seminar dazu, anhand konkreter Fallstudien verschiedene historische Ansätze zu erproben, indem wir das Thema abwechselnd aus Sicht der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, der Wissens- und Wissenschaftsgeschichte sowie der transnationalen Geschichte des Politischen in den Blick nehmen.

Semester: WiSe 2021/22