Die Familie steckt in der Krise, und das nicht erst seit letztem Jahr. Aber die Pandemie hat die soziale und ökonomische Situation von Frauen und Müttern noch einmal drastisch verschärft. Bereits vor Corona wurde jede vierte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben Opfer sexualisierter Gewalt in der Partnerschaft (BMFSFJ 2020). Im Zuge globaler Ausgangssperren ist diese Zahl noch einmal dramatisch angestiegen (UN Women 2021). Auch von der Doppelbelastung durch Erwerbs- und Sorgearbeit, bspw. aufgrund des zeitlichen und räumlichen Zusammenfallens von Homeoffice und Home Schooling, sind besonders Frauen betroffen (Die Techniker 2020). Die UN spricht von einer besorgniserregenden Zuspitzung einer sich schon vor Corona abzeichnenden »Care-Krise« (UN Women 2020). Eine Studie der Bertelsmann Stiftung legt nahe, dass diese Entwicklungen nicht als Rückfall in alte Rollenbilder zu deuten seien – vielmehr seien traditionelle Rollenbilder bisher so gut wie gar nicht aufgebrochen gewesen (Bertelsmann Stiftung 2020).

Die Pandemie lässt also grell zutage treten, dass das Private politisch ist – eine Erkenntnis, die die sogenannte zweiten Welle der Frauenbewegung zu ihrem Slogan machte. Fragen nach der Organisation von Sorgearbeit, Kindererziehung, und Reproduktion – so fordern Feminist:innen seit Jahrzehnten – gehören daher ins Zentrum gesellschaftlicher Debatten. In Bezug auf diese Fragen spielt die Familie eine tragende Rolle. Unser Alltag, unsere Beziehungsformen und die Organisation unserer Gesellschaft sind nach wie vor maßgeblich von der Institution der Kleinfamilie geprägt.

In Anbetracht der gegenwärtigen Krise stellt sich daher die Frage: Wie ist die gesellschaftliche Rolle der Familie aus feministischer Sicht zu beurteilen?



Semester: WiSe 2021/22