Das 20. Jahrhundert was das Jahrhundert der Jugend. Alle Ideen und Ideologien dieser Epoche versuchten vor allem die Jugend für sich einzunehmen und mit den Eigenschaften der Jugend – Frische, Energie und Enthusiasmus – assoziiert zu werden. Das sowjetische Projekt war keine Ausnahme: Lenin nannte die Bolschewiken die Partei der Jugend, Stalin zelebrierte diese als Avantgarde in der Kollektivisierung, Khrushchev schickte sie nach Kasachstan, um die Steppe fruchtbar zu machen, und Breschnew ließ sie die nördlichste Eisenbahnlinie der Welt bauen. Die Jugend folgte den Rufen der ideologischen Führer, aber sie tanzte auch Tango und Foxtrott, hörte Jazz und wurde zu Hippies und Punks. Die Jugend wurde somit sowohl Hoffnung als auch Problem, Vorreiter im aber auch Widersprüchler gegen das sowjetische System. 

Dieses Seminar stellt die Geschichte der Jugend in der Sowjetunion ganz ausdrücklich in einen transnationalen Rahmen, denn die sowjetische Jugendorganisation Komsomol orientierte sich an den Pfadfindern, hatte Parallelen zur Hitlerjugend, sah sich später als Bollwerk gegen Verwestlichung, aber auch als Vorreiter einer sozialistischen Internationale. Sowjetische Jugendliche suchten immer wieder den Anschluss an die Jugend der Welt – gerade und besonders der westlichen – und wurden dadurch Teil vielfältiger kultureller und politischer Globalisierungsprozesse.  Anhand von Idealen und Idolen, die von Antifaschismus bis Angela Davies reichen, und mit Hilfe von vielfältigen Primärquellen soll die Geschichte der sowjetischen Jugend inter-und transnational neu aufgerollt und der Mythos der sowjetischen Isolierung und Andersartigkeit durchbrochen werden.

Semester: SoSe 2021