Im Gegensatz zu Theorien, die Handlungen im Rekurs auf soziale Normen (homo sociologicus) oder auf der Basis rationaler Entscheidungen (homo oeconomicus) erklären, führt das praxistheoretische Paradigma Handlungen auf implizites Wissen bzw. ‚knowing-how‘ zurück. Unter Praktiken sind demnach Handlungen zu verstehen, die vor dem Hintergrund historisch und lokal spezifischer Wissensordnungen ausgeführt werden. Kultur stellt sich aus dieser Perspektive als Netz sich vollziehender sozialer Praktiken dar. Die besondere Leistungsfähigkeit der Praxistheorien besteht darin, dass sie die körperliche Dimension des Handelns mit seiner Bedeutungsebene zusammendenken können. So lassen sich Fragen nach der Reproduzierbarkeit, Hybridität, Kontingenz und Variabilität von Handlungen stellen. Im Seminar werden sowohl die grundlegenden Theorien von Michel Foucault (diskursive und nichtdiskursive Praktiken, Räumlichkeit von Praktiken), Pierre Bourdieu (Habitus und praktischer Sinn), Judith Butler (Performativität von Geschlecht), Ludwig Wittgenstein (Regelfolgen) u.a. als auch ihre Rezeption und Weiterentwicklung in der Soziologie diskutiert. Dabei stehen einerseits die spezifischen Charakteristika der Ansätze sowie andererseits ihr heuristisches Potential für materiale Analysen im Zentrum des Interesses.

Semester: SoSe 2021