Armut, so kann man zu Recht feststellen, zählt zu den anthropologischen Konstanten. Denn bedürftige Menschen hat es zu allen Zeiten gegeben. Das frühneuzeitliche Europa bildet hier keine Ausnahme. Damals wie heute bot das Betteln eine Möglichkeit, sich in Notlagen über Wasser zu halten, und in einer christlich geprägten Gesellschaft durfte man auf Nächstenliebe und Unterstützung in Form von Almosen einzelner Mitmenschen ebenso wie kirchlicher Institutionen und lokaler Obrigkeiten hoffen. Andererseits erweckten Bettler in der Frühen Neuzeit immer wieder Misstrauen oder wurden als lästig empfunden, insbesondere dann, wenn sie mobil waren und auch außerhalb ihrer unmittelbaren Heimat Hilfe suchten. Gerade in solchen Fällen stellte sich für diejenigen, die um Unterstützung ersucht wurden, verstärkt die Frage, ob sie mit einem legitimen Anliegen und tatsächlicher Bedürftigkeit konfrontiert waren oder ob diese lediglich vorgetäuscht wurde. Wenigstens in der oft misstrauischen Wahrnehmung frühneuzeitlicher Beobachter verschwammen somit häufig die Grenzen zwischen Bettlertum und Kriminalität.

In diesem Kurs werden wir auf Grundlage von Beispielen vor allem aus dem deutschen Sprachraum vom 16. bis zum 18. Jahrhundert mit Armut, Bettelei und dem Umgang mit Bedürftigkeit beschäftigen. Dabei werden wir uns immer wieder mit zentralen Entwicklungslinien und Prozessen wie etwa der Reformation oder der Entwicklung der Staatsgewalt auseinandersetzen, die von der historischen Forschung üblicherweise als charakteristisch für die Frühe Neuzeit beschrieben werden. Denn Bettelei war immer wieder Gegenstand obrigkeitlicher Regulierung. Gleichzeitig bietet dieser Kurs Gelegenheit, sich mit verschiedenen historiographischen Ansätzen wie der Sozial- und Kulturgeschichte vertraut zu machen und deren Arbeitsweisen anhand einschlägiger Quellen einzuüben.

Trotz des regionalen Fokus ist die Bereitschaft, gelegentlich englischsprachige Texte zu lesen, Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme an diesem Kurs.

Semester: SoSe 2021