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Infrastrukturen stellen die materialen, baulichen und technischen Voraussetzungen bereit, die das Funktionieren von Systemen ermöglichen. Die Vorlesung greift den infrastructural turn auf und verdichtet ihn hinsichtlich der bisher kaum gewürdigten Relevanz von Infrastrukturen für die Musik. Dabei war Musik immer auf Ressourcen und Infrastrukturen angewiesen (Kyle Devine). 

Die Vorlesung verknüpft Aspekte der Sozial- und Kommunikationsgeschichte der Musik, sowie der Aufführungspraxis mit der Geschichte musikalischer Aufschreibesysteme, den Science and Technology Studies sowie der Akteur-Netzwerk-Theorie. Die Vorlesung führt in unterschiedliche musikalische Infrastrukturen ein, sondiert deren Voraussetzungen sowie deren Politiken der Mediation und zeigt die Wechselwirkungen zwischen Infrastrukturen und musikalischen Praxen auf. Sie sondiert darüber hinaus die neuen Ontologien, die sich aus infrastrukturellen Transformationen für die Musik und für unser Verständnis von Interaktion, Kollaboration und Kreativität ergeben.

Zunächst werden Bühne, Konzertsaal, Phonographisches Archiv und das Musikstudio als hoch verdichtete musikalische Infrastrukturen charakterisiert.

In einem zweiten Schritt adressiert die Vorlesung die Transformation klassischer materieller Infrastrukturen in intelligente Infrastrukturen. Diese treten in cloud-basierten Streaming-Praxen ebenso zutage wie im musikalischen Kognitionslabor. Das Gehirn, ursprünglich als materielles biologisches Substrat verstanden, wird hier zunehmend in Richtung eines Datensatzes aufgelöst und rückt in die Kontexte von smart infrastructures ein (Johannes Bruder). 

Drittens kommen musikalische Projekte ins Spiel, die ihrerseits die infrastrukturellen Bedingungen des Programmierens/Musizierens thematisieren und gleichsam nach außen kehren bzw. kollaborativ nutzen und verändern. Informatische und Neuronale Netzstrukturen werden zum Stoff und zu Effektoren klanglich-gestischer Prozesse, so dass kategoriale Trennungen von Infrastruktur und Instrument kaum möglich sind. Vormalig passive und ermöglichende Infrastrukturen erhalten datenlogistische Relevanz und eine eigene agency.

 

Literatur:

Paolo Maggauda, “Digital Music Infrastructures. The promises of the blockchain revolution”, inRevue d'anthropologie des connaissances, Volume 133, Issue 3, 2019, pp 849-869.

 Paolo Magaudda,”Music Scenes as Infrastructures: From Live Venues to Algorithmic Data”. in: Tofalvy T., Barna E. (eds.), Popular Music, Technology, and the Changing Media Ecosystem. Pop Music, Culture and Identity. Cham 2020.

 Eric F. Clarke and Mark Doffman (eds.), Distributed creativity: collaboration and improvisation in contemporary music, New York 2017.

 Kyle Devine and Alexandrine Boudreault-Fournier (eds.), Audible Infrastructures. Music, Sound, Media, Oxford, avisiert für 2021 (=Critical Conjunctures in Music and Sound).

Kyle Devine, Decomposed. The Political Ecology of Music, Cambridge /MA 2019.

 

Prüfungsform: schriftliche Hausarbeit oder Klausur am 23.7.2021 von 14.15 Uhr bis 15.45 Uhr



Semester: SoSe 2021