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Obwohl der Dialog und die Abwesenheit einer vermittelnden Erzählerinstanz seit Aristoteles als bestimmendes Gattungsmerkmal des Dramas angesehen wurde, haben sich auch abseits des Theaters eine Reihe von dialogischen Textsorten etabliert: Vom fiktiven Totengespräch über das Reformations- und das Bauerngespräch, das barocke Gesprächsspiel und das kritischen Monatsgespräch bis zum didaktischen Lehrgespräch reicht eine Kontinuität kleiner dialogischer Formen, an die noch im 20. Jahrhundert angeknüpft wurde. Zwar steht die prinzipielle Bedeutung dieser Dialogliteratur außer Frage, sie ist aber kaum einmal systematisch sondiert worden. Stattdessen ist in den vergangenen Jahrzehnten eine theoretische Problematisierungsgeschichte des Dialogischen zu beobachten. Wenn aber die ‚Dialogizität‘ des Romans oder die dialogische Appellstruktur des literarischen Textes behauptet wurde, so waren jene kleinen dialogischen Prosaformen damit gerade nicht gemeint.

Das Seminar wird sich mit einer Reihe der wichtigsten deutschsprachigen Dialoge bekannt machen. Im Zentrum steht zunächst der Reformationsdialog und die daran anschließende Tradition des Bauerngesprächs: Ulrich von Huttens Gesprächsbüchlein (1521), der anonyme Karsthans (1521) und die Prosadialoge von Hans Sachs (1524). Einen zweiten Schwerpunkt bildet die von Lukians Totengesprächen (166/167 n. Chr.) ausgehende Tradition, die besonders in der Aufklärung, etwa durch den Lukian-Übersetzer Wieland in seine Dialoge im Elysium (1780) oder Franz Grillparzers Totengespräch (1806/07) aufgegriffen wurde. Schließlich werden uns die modernen Adaptionen der Gattung wie Berthold Brechts Flüchtlingsgespräche (1956) oder Hans Magnus Enzensbergers Totengespräch Ohne Uns (1999) interessieren.

Semester: SoSe 2021