Der Besitz von Eigentum scheint im ersten Moment kaum wesentlich, um den Menschen zu definieren. Dabei nimmt Eigentum einen prominenten Platz in der Entwicklung der Menschenrechte und Zivilrechte ein, ist fundamental an philosophische Konzepte von Persönlichkeitsentwicklung geknüpft sowie grundlegend für unser Verständnis von Individualität und Autonomie. Gleichzeitig produzieren Eigentumsverhältnisse Ausschlüsse, die über eine rein ökonomische Ebene hinausgehen und zu der Aufrechterhaltung von patriarchalen Strukturen und kolonialen Kontinuitäten in der Gesellschaft beitragen. Somit erstreckt sich die Wirkung von Eigentum auch auf Geschlecht, race, Klasse und Vorstellungen von Mündigkeit. Dabei schließt sich die Frage an, wer überhaupt Eigentumsrechte in Anspruch nehmen konnte und kann und wie sich das auf unsere Vorstellung von dem modernen Menschen auswirkt.
Im Rahmen des Projekttutoriums werden wir uns kritisch mit dieser Frage auseinandersetzen und anhand von politischer Theorie sowie philosophischen, rechtlichen und sozialwissenschaftlichen Abhandlungen ein Bild darüber schaffen, wie prägend Eigentumsverhältnisse für unsere Gesellschaft sind. Weiterhin werden wir uns mit historischen Enteignungsprozessen im Kolonialismus und durch den Nationalsozialismus beschäftigen und Bezüge zu aktuellen Debatten um Restitution herstellen.
Im zweiten Semester werden wir uns Ideen von alternativen oder kollektiven Formen des Eigentums zuwenden. Dabei ist die Frage zentral, wie Eigentum abseits von kapitalistischer Marktlogik denkbar wäre. Wie entziehen sich z.B. die Gegenstände unseres Alltags, die für uns eine immense Bedeutung haben, der Zuordnung zu einem Kaufpreis oder Warenwert? Inwiefern stellen Kämpfe von indigenen Gruppen um kollektives Eigentum das vorherrschende Verständnis von Menschenrechten auf den Kopf? Unter welchen Voraussetzungen kann Eigentum auch zwischenmenschliche Beziehungen fördern, anstatt wie Privateigentum die Trennung zwischen Individuen zu verstärken?
Neben der gemeinsamen textlichen Erarbeitung soll in dem Projekttutorium auch Raum für kreative Arbeiten zu dem Thema sein. Diese können von Fotografien über Audiobeiträge bis hin zu Installationen oder selbstgeschriebenen Texten reichen, für die wir dann einen gemeinsamen Veröffentlichungsrahmen finden können.