2007 schrieb Stephen Kuusisto, dass Blogging für Menschen mit Behinderung sehr wichtig sei. Sie könnten Blogs nutzen, um über ihre Erfahrungen zu schreiben und Texte zu veröffentlichen, die von den Printmedien regelmäßig abgelehnt würden. Doch wie stellt sich dies gegenwärtig dar? Die Blogs von Raúl Krauthausen (https://raul.de/blog/), Laura Gehlhaar (https://lauragehlhaar.com/blog.html)  oder „Lydia’s Welt. Rund um den Alltag einer blinden Mutter mit arabischem Hintergrund“ (https://lydiaswelt.com/) legen nahe, dass Menschen mit Behinderung und Aktivist*innen Blogging nach wie vor praktizieren, um ihr Wissen mit einer interessierten Leserschaft zu teilen und damit ein kritisches Bewusstsein für alltägliche Probleme, variierende Mobilitätspraktiken, Diskriminierungen o.ä. zu schaffen (vgl. u.a. https://www.der-querschnitt.de/archive/22407).

Vor dem Hintergrund der genannten digitalen Kommunikations- und Wissenspraktiken geht das Seminar dem Phänomen des „life writing“ nach. Im Sinne von Couser (2009) geht es darum, die Formatierung der „some body memoir“ im Kontext von Blogs genauer zu untersuchen. Dabei stehen nicht ‚prominente‘ Personen wie Politiker*innen, Schauspieler*innen oder Musiker*innen im Mittelpunkt, sondern Menschen, die ihr Erfahrungswissen vor dem Hintergrund körperlicher Differenz und variierender Fähig- und Fertigkeiten ausbilden. Solch ein Wissen, das dann über Schreibpraktiken zugänglich gemacht wird, lässt sich mit Haraway (1988) als situiertes Wissen beschreiben. Im Rahmen des Seminars stellen wir die Frage, wie situiertes Wissen in Form von Blogeinträgen – samt visueller Elemente – manifest wird, geteilt wird, politische Effekte zeitigt und zu zirkulieren beginnt, sodass bei Lesenden Zweifel an angenommenen Gewissheiten aufkommen können.


Semester: SoSe 2021