Die Literatur des ‚poetischen Realismus‘ wird gerne anhand ihres verklärenden Verhältnisses zur Wirklichkeit beschrieben, um die poetische Dimension literarischer Darstellungen gegenüber einer bloßen Abbildung von Wirklichkeit zu betonen. Von diesem Befund ausgehend, wird das SE in den Blick nehmen, wie in der realistischen Literatur des 19. Jahrhunderts Realität verhandelt wird. Fragt man in diesem Sinne nach der Realität des Realismus, zeigt sich nämlich, dass das Verhältnis realistischer Literatur zur Realität nicht so eindeutig idealisierend gewesen ist, wie es programmatische Positionen der Zeitgenossen mithin behaupten. Jüngere Forschung hat deshalb längst betont, dass der poetische Realismus Wirklichkeit mindestes ebenso konsequent problematisiert, wie er seine literarischen Strategien an ihr ausrichtet. An kanonischen Texten von Stifter, Keller, Storm und anderen will das SE daher schließlich diskutieren, ob nicht gerade ‚realistische‘ Texte den Konsens darüber befragen, was unter Wirklichkeit verstanden werden kann.

Semester: SoSe 2021