Musik ist immer schon vermittelt: Medientechnologien bedingen und formen Musik, durch sie wird Klangliches gespeichert, übertragen und rezipiert. Das gilt auch für die menschliche Stimme, wenn sie Musik macht. Die Stimme fasziniert, weil sie Fragen des Menschlichen, Körperlichen, Sinnlichen, der Wahrheit, des Persönlichen und Einzigartigen für sich beansprucht. Wie aber verhält oder zeigt sich die menschliche Stimme, wenn sie reproduziert wird und medientechnologisch bedingt ist? Ist Stimme noch menschlich, noch körperlich, wenn Zahlen im Vocoder und nicht bloß unsere Stimmbänder oszillieren? Was bedeutet Singen, wenn wir Stimme primär mikrofoniert hören oder wenn wir gemeinsam mit Auto-Tune-Plugins singen? Wie können Körper und Gender (anders) gedacht werden, wenn Stimme immer schon technologisch re/produziert wird? Was für Ideen des Humanen oder Post-Humanen verbergen sich in der Klangsynthese von Stimme? Hören die Ohren der Stimmerkennungssysteme anders als kulturell gewachsene Ohren?

Dieses Seminar beschäftigt sich mit den vielseitigen Technologien der Stimme: technischen, musikalischen, kulturellen und klanglichen (u.a. Auto-Tune, Lip-syncing, Stimmsynthese, Vocoder). Wir versuchen Stimme und ihre Technologien musikwissenschaftlich zu verorten. Dabei wenden wir uns an philosophische und theoretische Auseinandersetzungen mit Stimme, verankern diese aber immer wieder im Diskurs der Pop Music Studies und Kultur-/Medien-/Musikwissenschaften. Was erfahren wir von den Technologien der Stimme über die Konzeptionen von Kategorien wie Gender, Mensch, Klang oder Musik? In diesem Seminar versuchen wir Stimme nicht nur als kulturelles und mediales, sondern spezifisch als musikalisches Phänomen zu fassen.

Das Seminar dient als Einführung in Diskurse der Stimme und ist primär theoretisch ausgelegt. Allerdings wird jede theoretische Sitzung gefolgt von einer Fokus-Sitzung. Jede zweite Woche werden wir uns in gemeinsamen Listening-Sessions mit ausgewählten Phänomenen auseinandersetzen: Phänomene sind u.a. Tracks, Künstler*innen, Alben, aber auch bestimmte Kulturtechniken oder Stimmtechnologien.

Anstelle von Referaten werden Studierende an der Gestaltung eines Podcast zu einem bestimmten Thema der jeweiligen Sitzung arbeiten.  Als Modulabschlussprüfung wird eine Hausarbeit erwartet.

Das Seminar ist auf 25 Studierende begrenzt. Mit Bitte um Anmeldung via: M.Kobel@kingston.ac.uk

Literatur:
  • Adorno, T. W. (1984). Nadelkurven. In R. Tiedemann & K. Schultz (Eds.), Gesammelte Schriften, Band 19 - Musikalische Schriften VI (pp. 525–529). Suhrkamp.
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Semester: SoSe 2021