Interdisziplinäre Projekte leben in der
Selbstbeschreibung davon, spezialisierte Wissensbereiche miteinander in
Verbindung zu setzen. Im vermeintlichen Gegensatz zur vertiefenden und
fokussierten Arbeit in einem Forschungsbereich werden für das Gelingen
interdisziplinärer Projekte oft die kognitiven und sozialen Fähigkeiten
zur Integration fremder Wissensbestände (Klein 2005) betont. Ausgehend
von Collins und Evans Konzept der „specialist tacit knowledge“
(Collins/Evans 2007) gibt es (zunächst) zwei Formen der Expertise. Die
„Interactional Expertise“ und „Contributory Expertise“ dienen als
normative Ausgangspunkte des Seminars. „Interactional Expertise“ meint
ein tiefergehendes, vor allem auch sprachliches, Verständnis eines
Wissensbereichs, ohne jedoch wesentliche Wissensfortschritte dort
erzielen zu können. „Contributory Expertise“ dagegen ist genau die
Expertise, neues Wissen in einem spezialisierten Wissensbereich
produzieren zu können. Eine zentrale Frage ist daher, wie
interdisziplinärer Wissensfortschritt erzielt werden kann – und ob
dieser vor dem Hintergrund fehlender „Contributory Expertise“ überhaupt
möglich ist. Davon ausgehend sollen (auch weitere) Dimensionen und
Formen der Expertise (-entwicklung) in interdisziplinären Projekten
analysiert werden. Hierfür werden Diskurse zur Interdisziplinarität und
zur Entwicklung und Anerkennung verschiedener Expert*Innenrollen
diskutiert. Denn gerade das Spannungsfeld zwischen interdisziplinärer
Projektarbeit und disziplinären Qualifikationsanforderungen (Peer
Review) kann divergierende Expertiseformen hervorbringen. Neben den
Entstehungsbedingungen verschiedener Expertiseformen in
interdisziplinären Projekten sollen auch deren mittel- bis langfristige
Effekte auf Wissenschaft und Gesellschaft in den Blick genommen werden.
Kurs-Information
Semester: WiSe 2020/21