Im einsetzenden Zeitalter des Anthropozän kreuzen einander erstmals Erd- und Menschengeschichte. Unversehens wird der Mensch aufgrund seiner technischen Aktivitäten zu einer geologischen Kraft mit kaum absehbaren Konsequenzen für die Ökosphäre. Dabei treffen zwei ganz unterschiedliche Skalierungen aufeinander. Die menschliche Zeit, die mit Jahren und Jahrzehnten operiert und die planetarische Zeit, die nach Hundertausenden, wenn nicht Millionen von Jahren rechnet. Die menschliche Geschichte schrumpft zu einem Punkt innerhalb jener Big History, die vom Urknall bis zur aktuellen Herausforderung durch die Dynamisierung der ökologischen Parameter reicht.

Das stellt auch die Kunst vor neue Herausforderungen, war doch bislang die anthropozentrische Zeit das Maß der Dinge. Noch vor wenigen Jahren erlebte die Präsenzästhetik einen Hype, der sich zum Beispiel in einem Titel wie Unsere breite Gegenwart von Hans Ulrich Gumbrecht oder Die Ästhetik des Erscheinens von Martin Seel niederschlug. Dabei sieht sich die Menschheit heure mit Prozessen konfrontiert, die Jahrhunderte zählen, sind doch sowohl die Atmosphäre wie die Ozeane Speichermedien, die über mehrere Generation aufbewahren, was an Schadstoffen in sie emittiert oder abgegeben wurde. Das zweiteilige Seminar stellt sich die Frage, wie Kunst für dieses Eintreten neuer Zeithorizonte im 21. Jahrhundert sensibilisieren und dieses Ereignis in die Sichtbarkeit stellen kann.

Im ersten Teil beantworten Kurzreferate, die unter verschiedenen Aspekten in die Theorie des Anthropozäns einführen, diese Frage, wobei der Veränderung der Zeithorizonte besonders im Fokus steht. Im zweiten Teil sind die Teilnehmer aufgefordert, selbst Kunstwerke zu erstellen, die sich mit dem Motiv der menschlichen und planetarischen Zeit in den verschiedensten Disziplinen, von Text, über Musik, Videos, Handyfilme etc. auseinandersetzen.

Termine:
 6. 11. 2020, 14 – 16 Uhr; 20. 11. 2020, 14 – 18 Uhr; 27. 11. 2020, 14 – 18 Uhr; 05. 12.2020, 14 – 18 Uhr; 14. 01. 2021, 14 - 16 Uhr; 19. 02. 2021, 14 – 20 Uhr; 26. 02. 2021, 14 – 20 Uhr

Literatur:

  • Dipesch Chakrabarthy, The Climate of History, 2008
  • David Christian, Big History, Hanser, 2018
  • Hans Ulrich Gumbrecht, Unsere Breite Gegenwart, Suhrkamp, 2010
  • Eva Horn, Anthropozän. Eine Einführung, Junius Verlag 2019.
  • Anna Loewenhaupt Tsing, Der Pilz am Ende der Welt, Matthes & Seitz, 2019 Marin Seel, Ästhetik des Erscheinens, Suhrkamp 2003

Semester: WiSe 2020/21