Eines der wesentlichen Voraussetzungen, um antike Lebenswelt und
Mentalität zu verstehen, ist die antike Religion. Die antike, in unserem
Fall griechisch-römische Religion ist keineswegs monolithisch zu
begreifen. Hinter einem scheinbar einheitlichen ‚Götterkanon‘ erweist
sich auch römische Religion sowohl lokal – auf Ebene einzelner
Stadtkulturen – als auch diachron vom 7. Jh. v. Chr. bis zum 6. Jh. n.
Chr. als extrem unterschiedlich strukturiert. Im Seminar wollen wir
Religion als Summe aller Kultpraktiken und Vorstellungen verstehen, die
ganz untrennbar mit der antiken Lebenspraxis verbunden war, und
zumindest einige typische Phänomene davon beleuchten. Es ist dabei
wichtig, zunächst die Aspekte der Alterität zu betonen, also inwiefern
sich „heidnische“ Religion ganz grundsätzlich vom Christentum vor allem
in seiner nach-mittelalterlichen Rezeption unterscheidet, und welche
Kontinuitätsstränge sich auch in ganz andere Kulturkreise ergeben. Ziel
ist das grundsätzliche Verständnis für die Grundkonstanten anderer
Lebenskonzepte mit einer starken Interaktion mit Religiösem, was antike
Gesellschaften konstituierte. Dabei fällt natürlich auch Licht auf
unsere eigenen Sichtweisen und deren oft unreflektierte Prämissen und
Begrenzungen.
Die Praxis des Seminars wird nach den Erfahrungen des
letzten Semesters mit digitaler Lehre den Möglichkeiten und Begrenzungen
des aktuell verfügbaren Wissens mit eingeschränktem Bibliothekszugang
angepaßt: Anstelle eines großen Referats, das bis in die
wissenschaftliche ‚Tiefe‘ recherchiert wird, sollen die Teilnehmenden
mehrere Kurzreferate zu Ausschnitts-Themen übernehmen. Anstelle des
verschriftlichten Referats treten jeweils ein ‚Handzettel‘ mit
Bibliographie und Kurzusammenfassung (Stichpunkte) der Kurzreferate als
pdf für alle Teilnehmenden. Das hat gerade auf BA-Niveau diverse
Vorteile: In ihrer Summe gewähren diese ‚Ausschnitts-Referate‘ den
Teilnehmenden einen breiteren Überblick als die übliche Fokussierung auf
nur ein Referatsthema, Information ist dazu auch im Internet breiter
verfügbar und für Diskussion sowie kritische Reflektion bleibt so nicht
zuletzt auch durch die Konfrontation mit einigen Stilblüten digitalen
‚Halbwissens‘ sicher reichlich Stoff.
Gedruckte Literaturempfehlungen:
- J. Rüpke, Die Religion der Römer. Eine Einführung (München 2001)
-
D. Steuernagel, Kult und Alltag in römischen Hafenstädten. Soziale
Prozesse in archäologischer Perspektive, Potsdamer
Altertumswissenschaftliche Beitrage 11 (Stuttgart 2004)
- I. Nielsen
(Hrsg.), Zwischen Kult und Gesellschaft. Kosmopolitische Zentren des
antiken Mittelmeerraumes als Aktionsraum von Kultvereinen und
Religionsgemeinschaften, Hephaistos 24 (Augsburg 2002)
- R. M.
Rothaus, Corinth. The First City of Greece. An Urban History of Late
Antique Cult and Religion, Religions in the Graeco Roman World 139
(Leiden 2000)
- P. R. L. Brown, The Body and Society. Men, Women and
Sexual Renunciation in Early Christianity, Lectures on the History of
Religions (N. S) 13 (New York 1988)
- Kursverantwortliche/r: Isabell Wardin